spaziergang mal anders

Mit Roswitha Schawilje



Spazieren gehen

tut gut, ist gesund und - bringt uns auf andere Gedanken. 

Wirklich?

Bei mir funktioniert das nicht immer. Oft ertappe ich mich dabei, dass ich im Geiste ganz woanders bin, an Vergangenes denke oder an das, was nachher sein oder morgen kommen wird. Immer dann, wenn ich besonders „achtsam“ durch die Natur gehen möchte, ist es geradezu eine Kunst, mit den Gedanken nicht abzuschweifen.

Kennen Sie das? Ärgern Sie sich nicht darüber – es ist ganz normal!


Ein kluger Mensch hat einmal gesagt, dass es die Natur des Geistes ist zu denken, so wie es die Natur des Ohres ist zu hören. Das hat mich sehr beeindruckt, denn es macht klar, dass sich das Denken genauso wenig abstellen lässt, wie das Hören. Aber:

Ich kann bewusst entscheiden, wohin ich meine Aufmerksamkeit lenke.

Wenn ich nun raus in die Natur gehe, formuliere ich still für mich die Absicht, jetzt für eine Weile meinen Alltag, meine Pläne und Sorgen zurück zu lassen. Damit es mir nicht so geht, wie Mark Twain, der einmal auf die Frage, ob er nicht gerne mal in Urlaub fahren wollte, antwortete: „Doch, gerne – wenn ich nur nicht diesen Burschen Mark Twain mitnehmen müsste“.


Das kenne ich auch, dass ich meine Alltagslasten überallhin mitschleppe. Immer geht mir etwas durch den Kopf. Statt zu hören, was um mich herum ist, höre ich nur meine eigenen Gedanken.

wirklich hören

Das kann ich erst, wenn ich innerlich auf „Empfang“ schalte. Damit das gelingt, braucht es zuerst die konkrete Absicht dazu und ein wenig Einstimmung. Wenn ich einfach los marschiere, machen die Gedanken, was sie wollen. Darum beginne ich meinen Spaziergang, indem ich erstmal stehen bleibe, kurz die Augen schließe und mir innerlich  sage, dass ich jetzt Zeit  habe, um alle meine Sinne zu öffnen und bewusst wahrzunehmen, was um mich herum ist. 


Kleine Achtsamkeitsübung beim Spazierengehen

Tief einatmen

Atmen Sie, während Sie die ersten Schritte auf Ihrem Weg machen, ein paar mal bewusst ein und aus und nehmen Sie dabei wahr, wie die Luft, die Sie tief einatmen, jetzt gerade riecht.


3 Dinge

Nun „sammeln“ Sie mit Ihren Augen drei Dinge, die Ihnen im Gehen besonders auffallen, und benennen Sie sie im Geiste. Etwa so:

„Da ist eine besondere Baumwurzel, hier sehe ich einen kraftvollen Löwenzahn, da hüpft eine Amsel.“ 

Dann richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die Geräusche, die jetzt an Ihr Ohr dringen und „sammeln“ wieder drei: vielleicht das Geräusch, das Ihre Schritte machen, einen Vogellaut rechts von Ihnen, eine andere Vogelmelodie auf der linken Seite. 


Aufatmen

So gehen Sie eine Weile weiter: Immer abwechselnd bewusst schauen und drei neue Dinge wahrnehmen, dann wieder bewusst hören und lauschen auf drei Geräusche, die Sie jetzt gerade vernehmen. Wenn Ihnen dann bewusst wird, dass Sie ganz DA und Ihre Alltagsgedanken in den Hintergrund gerückt sind, dann lassen Sie ein tiefes Aufatmen kommen und atmen Sie wie mit einem langen Seufzer aus.


Und nun gehen Sie so, als hätten Sie alle Zeit der Welt - nichts eilt, nichts drängt. Kommen Sie für eine Weile in eine wohltuende LANGSAMKEIT, indem Sie beginnen zu SCHLENDERN. Wann haben Sie sich eigentlich das letzte Mal Zeit genommen für MÜSSIGGANG? Ein altmodisches Wort, das aus unserer Sprache fast verschwunden ist, eine (Nicht-)Beschäftigung, die den meisten von uns irgendwie abhanden gekommen ist.

Aber jetzt! Nur schlendern, atmen, schauen, lauschen – ohne Absicht ohne Ziel, ohne an die Zeit zu denken. So kann der Geist zur Ruhe kommen, so kann im Innern Frieden entstehen.